schnee stock parade
deutsche Fassung
snow stick parade
english version
 
Oberwart 1998
 
 
texte:
peter nesweda 
franz niegelhell
vitus h. weh
parade
 
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Textauszug

Peter Nesweda

schnee stock parade
oberwart ´98

über Sinn und Unsinn von Kunst im öffentlichen Raum wurde in letzter Zeit viel diskutiert: In Berlin, wo die Errichtung eines Holocaust-Mahnmahles von gigantischen Ausmassen geplant ist, aber auch in Wien, wo die englische Künstlerin Rachel Whiteread einen Wettbewerb für ein Mahnmal auf dem Wiener Judenplatz gewann. Beim Ausheben der Fundamente ist man auf die Überreste einer in einem früheren Jahrhundert zerstörten Synagoge gestoßen, Zeugnis für die lange Geschichte des Antisemitismus in Österreich. Nach heftigen Diskussionen, auch innerhalb der Wiener Kultusgemeinde, hat man sich darauf geeinigt, daß man statt einem nun zwei Mahnmäler hat. 

Kunst im öffentlichen Raum ist auch immer politisch, man kann sie nicht nur nach ästhetischen Gesichtspunkten beurteilen. Die Tourismusindustrie, die heute von "City-Marketing" spricht, betrachtet Kunst im öffentlichen Raum unter dem Aspekt der Vermarktbarkeit. Was nicht der "Verschönerung" dient, wird als nutzlos, wenn nicht gar "geschäftsschädigend" gesehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Kriegerdenkmal in meiner Geburtsstadt, das martialisch den Hauptplatz dominierte. Es mußt vor ein paar Jahren einem bunten "Hundertwasser-Brunnen" weichen. Die Feinde von Einst sind die Kunden von heute geworden. 

Andreas Lehner, der mit Kunst im öffentlichen Raum auch als Kurator einige Erfahrung hat, setzt nicht mehr auf "ewige Werte". Seine Kunstwerke sind temporäre Interventionen, die einen Kommunikationsprozeß auslösen und damit bewußtseinsbildend wirken. Bei seinem 1997 in Oberwart realisierten Projekt mit dem Titel "Kommunale Kommunikation" verzichtet er auf jede eigene visuelle Gestaltung und stellt den ihm von der Gemeinde für sein künstlerisches Projekt genehmigten Raum Gastronomiebetrieben zur Verfügung, die darauf Straßencafes errichteten. Das von sieben Teilnehmern mindestens vier ihre Straßencafes beibehalten werden, ist ein beachtenswertes Ergebnis. 

Auch beim Projekt "Schnee Stock Parade" geht es wieder um den öffentlichen Raum in Oberwart und seiner Nutzung. Durch die zeitlich begrenzte Markierung des Hauptplatzes und angrenzender Ortsräume mit Schneestöcken sollen eingefahrene Wahrnehmungsgewohnheiten aufgebrochen werden. Dadurch, daß der gewöhnlich als Busbahnhof genützte Platz sechzehn Tage lang von Autobussen und Privatautos befreit wird, wird er neue erfahrbar. Andreas Lehners künstlerische Intervention zeigt nicht das "Gute, Wahre und Schöne". Sie will nicht belehren, sondern anregen. Die Bewohner Oberwarts werden so Teil des künstlerischen Prozesses, wie auch immer er enden mag. Durch die Transformation des Alltäglichen in das Besondere des Kunstwerks wird Bewußtsein geschaffen. daß in dieser Form der künstlerischen Intervention die Zukunft von Kunst im öffentlichen Raum liegen könnte, zu diesem Schluß kommen auch die Kunstkritiker und Autoren über "Kunst am Bau", Vitus H. Weh und Markus Wailand in einem Beitrag im FALTER 19/98: "Vielleicht versagt sich manche Kunst am Bau hinfort auch jeder Form visueller Gestaltung und liefert stattdessen Orts- oder Funktionsanalysen. Das Ausmaß offener Fragen beschreibt zugleich die Vielzahl der Möglichkeiten, Kunst am Bau für die Zeit nach dem autonomen Werk zu interpretieren." 

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