Vorraum:
"Die tägliche Dosis" - Gewalt um uns und
die Keule im Kopf
In
diesem ersten relativ kleinen Raum des Friedensmuseums
wird Gewalt als Alltags-Thema etabliert. Das ist nötig,
weil wir viele Gewaltereignisse - vor allem jene, von
denen wir über die Massenmedien erfahren - weitgehend
ausblenden, um nicht ständig von ihnen betroffen
sein zu müssen.
Die
Massivität der auf uns einstürmenden Gewalt-Bilder
wird zum einen durch eine schnelle Abfolge von Dias
mit Bild- und Textausschnitten aus diversen Printmedien,
zum anderen durch Video-Bildsequenzen verdeutlicht (Letztere
präsentiert einschlägige Nachrichten-, Film-
und Video-game-Szenen). Diese beiden medialen Darstellungsformen
werden ergänzt durch eine Vitrine mit "einschlägigem"
Kinderspielzeug und ein Holzkreuz für einen Verkehrstoten.
Die
Ton- und Bilderflut wird im Abstand von etwa 2 ½
Minuten unterbrochen, um die BesucherInnen zu veranlassen,
den Blick nach "innen" zu richten: In großer
weißer Schrift werden dann wohlvertraute Sätze
vom Typ "Wo gehobelt wird, fallen Späne"
auf die grob verputzte Kellerwand projiziert. Mit diesen
verinnerlichten Leitsätzen oder "Alltagsregeln"
tragen wir selbst nicht unwesentlich zur Fortsetzung
der unendlichen Gewaltgeschichte bei, weil wir sie bei
passenden Gelegenheiten so gern benutzen, um Gewalt
in fast jeder Form zu rechtfertigen.
Die
mit diesen Mitteln repräsentierten beiden Seiten
der Gewalt - die "außen" wahrnehmbare
und die innere - werden durch eine eigens von Wolfgang
R. Kubizek für diesen Raum komponierte Musik verbunden.
Hauptraum
1: Umgehen mit Bedrohungen
Jeder
Mensch ist von Zeit zu Zeit mit bedrohlichen Situationen
konfrontiert. Weil wir darauf in der Regel nicht vorbereitet
sind und wenig über unsere eigenen Eingreifmöglichkeiten
wissen, wirkt die Angst vor diesen Bedrohungen oft lähmend.
In diesem Raum wird daher anhand wahrer Begebenheiten
für vier gesellschaftliche Bereiche vorgeführt,
wie Gewaltakte verhindert bzw. deren destruktive Folgen
vermindert werden können.
Tatort
Straße:
Angriffe von fremden, unbekannten Menschen im öffentlichen
Raum - z.B. Raubüberfall, versuchte (sexuelle) Nötigung,
Aggressionsausbrüche gegenüber Unbeteiligten;
Umsetzung: gezeichnete Bildgeschichten, die als längliche
Bildstreifen zum Her- und Wegklappen dargeboten werden;
Tatort
Betrieb:
Gewalt am Arbeitsplatz - Mobbing, sexuelle Belästigung/
Erpressung, willkürliche Entlassungen oder Zugangssperren;
Umsetzung: Videointerviews von jeweils 6-10 Minuten Länge,
die von den BesucherInnen individuell angewählt und
beliebig oft abgespielt werden können;
Tatort
Wohnung:
Brutalität im Nahbereich, in der Familie, in der
Nachbarschaft, im Kreis der guten Bekannten - Machtmissbrauch
durch Erziehungsberechtigte, Konfliktaustragung zuungunsten
der jeweils Schwächsten, gewaltsamer Umgang mit Erwartungen
und Wünschen;
Umsetzung: 4-7-minütige mündliche Berichte von
Betroffenen, die über Kopfhörer zu hören
sind;
"Misslingende
Amtshandlungen":
Missbräuchliche, illegitime Amtsgewalt, Brutalität
bei Festnahmen und Verhören, Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen
durch Exekutivbeamte (die durchaus nicht nur der Polizei
angehören müssen);
Umsetzung: "Positive Nachrichten" über
Initiativen (auch der Exekutive) gegen illegale Gewaltausübung
von Beamten in zwei übergroßen Exemplaren einer
eigens für diese Ausstellung hergestellten Zeitung
Im
Übergang zum nächsten Raum:
eine begehbare Figurengruppe in Lebensgröße,
welche die Botschaft vermittelt, dass der "Erfolg"
einer Gewaltaktion auch vom Verhalten der Zuschauer und
Opfer abhängt. Die BesucherInnen werden hier unversehens
selbst Teil der Szenerie.
Hauptraum
2: Sensibilisierung für die Anfänge der Gewalt
Dieser
Raum ist den meist unspektakulären Anfängen
der Gewalt gewidmet: Behinderung von Entfaltungsmöglichkeiten
(in der Regel im Zusammenspiel von individuellem Verhalten
und gesellschaftlichen Strukturen), Abwertung bzw. Mangel
an Anerkennung dessen, was ein Mensch ist, tut und leistet,
Unterdrückung von Gefühlsäußerungen
und -empfindungen bei sich und anderen, was gleichzeitig
mit einem Verzicht auf Auseinandersetzung Hand in Hand
geht, sowie Schuldzuweisungen als Vorstufe der Entwicklung
von gesellschaftlichen Feindbildern. Im Zentrum des Raumes
befindet sich eine mehrteilige (Licht)Installation, die
zeigt, was gegeben sein muss, damit Menschen ohne Gewaltanwendung
auskommen können.
Raumzentrum:
Seelische Grundnahrungsmittel - Starke Folgen des Mangels
Um den ausgewählten Gewaltanfängen (Stationen
I-IV) einen Rahmen zu geben, macht diese zweiteilige (Licht)Installation
gewaltmindernde Faktoren sichtbar - und was passiert,
wenn sie ausfallen. Zuerst werden Kernqualitäten
eines gewaltvermeidenden und -reduzierenden zwischenmenschlichen
Umgangs beleuchtet ("Seelische Grundnahrungsmittel"),
dann Lebensgeschichten von Menschen, denen diese Qualitäten
versagt wurden. Als "Seelische Grundnahrungsmittel"
werden aufmerksames Wahrnehmen, Anteilnahme und Mitgefühl,
Achtung und Anerkennung, freundlich-kritischer Widerstand
sowie Verlässlichkeit hervorgehoben; als Folgen,
die ihr Mangel nach sich zieht, Gewalttätigkeit gegen
andere ebenso wie gegen sich
selbst.
Station
I: Schuldzuweisung
Ein (Un-)Glücksrad, das die BesucherInnen zur aktiven
"Suche nach Schuldigen" einlädt, stellt
auf ironische Weise die Beziehung zwischen individueller
und kollektiver Schuldzuweisung sowie der Feindbild-Entstehung
her: Wie beim Glücksspiel ist das Ergebnis der "Suche"
vollkommen
beliebig, es trifft einmal diese, einmal jene Gruppe.
Auf die fatalen Auswirkungen kollektiver Schuldzuweisungen
muss nach dem Holocaust nicht mehr eigens hingewiesen
werden.
Station
II: Behindern
Menschen - bewusst oder unbewusst - daran zu hindern,
ihr besonderes Potenzial zu entfalten und ihre individuellen
Fähigkeiten zur Geltung zu bringen, kann ebenfalls
am Beginn eines Gewaltkreislaufs stehen. Um den Verbreitungsgrad
dieses gewaltsamen Verhaltens deutlich zu machen, wird
es an dieser Station nicht anhand von Gruppen dargestellt,
die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Randständigkeit
von dieser Gewaltform besonders bedroht sind. Als Beispiele
werden vielmehr Menschen aus der Mitte der Gesellschaft
gewählt, die dennoch nicht unbeschadet davonkommen.
Gezeigt werden erstens weibliche Schicksale in drei Lebensabschnitten
und zweitens der traurige Verlauf einer Jugendinitiative
für ein "Autonomes Kulturzentrum".
Diese Schicksale werden in vier Guckkästen zum Weiterdrehen
gezeigt, die mit stereoskopischen Fotografien (3-D-Effekt)
bestückt sind und durch ihren intimen Charakter (niemand
kann kontrollieren, wie lange ich bei einem Bild verweile)
ein unterschiedlich ausführliches, fast "privates"
Betrachten ermöglichen.
Station
III: Abwerten
In einer "Abwertungskammer" (ein eigener Raum
im Raum) wird den BesucherInnen die - ebenso häufig
schmerzhaft selbst erfahrene wie anderen mit Lust zugefügte
- Dynamik der persönlichen Herabsetzung ins Bewusstsein
gerufen. Dazu wurde ein "Abwertungstisch" mit
sechs Plätzen konstruiert, von denen aus eine Vielzahl
von Sätzen, Sprüchen, kurzen Alltagsszenen oder
auch nur Lauten abgerufen werden kann. Diese "Sprechproben"
- größtenteils in einem gut verständlichen
österreichischen Dialekt - sind sechs unterschiedlichen
"Spielen" zugeordnet, auf die die BesucherInnen
- über zwei Monitore instruiert - auf vielfältige
Weise zugreifen können.
Die Spiele sind "interaktiv" angelegt und so,
dass Erschrecken und Spaß sich unentwegt durchdringen.
Station
IV: Gefühle unterdrücken
An der letzten Station dieses Ausstellungsbereiches geht
es um das Manipulieren unserer seelischen Befindlichkeiten,
welches wir sowohl an uns selbst als auch an anderen immer
wieder vornehmen. Welche Anstrengung das Manipulieren
erfordert und wie wenig Erfolg es uns langfristig bringt,
wird durch eine Vorrichtung demonstriert, bei der die
BesucherInnen "unangenehme Gefühle" symbolisch
mit Muskelkraft niederdrücken können: Sobald
sie nicht mehr
aktiv niedergehalten werden, kommen sie sofort wieder
an die Oberfläche. Hinter dieser Vorrichtung sieht
man das kunstvoll arrangierte Fotoporträt eines Mädchens,
das in einen Betonblock eingemauert zu sein scheint. Es
macht sinnfällig, wie unglücklich Kinder werden,
wenn ihr Bedürfnis nach Ausdruck und Bewegungsfreiheit
nicht erfüllt wird und sie statt dessen in ein starres
Schema von Vorschriften und repressiven Regeln eingezwängt
werden. Zur Erläuterung werden abwechselnd in die
Bildfläche oberhalb und unterhalb des Kindes Satzfolgen
projiziert, welche die visuelle Aussage des Bildes unterstützen.