vorab drei thesen:
die architektur der zukunft wird im bereich der formen einfacher, gleichzeitig
inhaltlich komplexer werden. das architektonische werk ist eher ein prozess
als ein produkt. architektur hat mehr mit dem unsichtbaren als mit dem
materiell darstellbaren zu tun.
wie in den naturwissenschaften ist auch im bereich der architektur eine
revolution im gange: die komplexitätsforschung eröffnet den blick
auf neue zusammenhänge und beschreibt die analogie der funktionsweisen,
egal ob es sich um die synthetische kristallisation, das verhalten von
neurotransmittern, den dow-jones-index, die entwicklung von metereologischen
wetterfronten oder den aufstieg und fall von zivilisationen handelt.
mit dem begriff vom "raumschiff erde" hat der architekt buckminster
fuller in der mitte unseres jahrhunderts eine neue ästhetik des gebrauchs
geprägt und damit auch die rolle des gestalters neu definiert; nicht
mehr repräsentation sondern benützbarkeit sind für die zukunft
wichtig.
das ziel unseres konzeptes zur neugestaltung des zentrums von wiener
neustadt ist, den hauptplatz zu einer intelligenten plattform neuen urbanen
lebens werden zu lassen. wir streben eine optimierung der benutzeroberfläche
stadt an, die an der historischen dimension städtischer plätze
anknüpft, denn die konkurrenz der städte und der kampf der peripherien
mit den zentren hat entweder zur verdorfung oder zur banalisierung der
plätze geführt: die ursprüngliche multifunktionalität
städtischer freiräume ist zur ausnahmeerscheinung geworden.
zur entstehung von raum gehört der mut zur leere.
der dreidimensionale informationsträger hauptplatz manifestiert
sich durch neue versorgungs- und informationsnetze, die einen raster von
andockpunkten für licht, strom, wasser und abwasser bieten, zum anderen
durch eine neue niveaugleiche platzoberfläche - eine plattform - die
neue urbane aktivitäten, märkte, veranstaltungen, kulturelle
events in allen zonen des hauptplatzes ermöglicht. die neue durchgehende
oberfläche macht darüber hinaus das platzganze wieder als zusammenhängenden
stadtraum in seiner ursprünglichen dimension erfahrbar und klärt
das chaos der restflächen und der unzähligen behälter, pflanztröge,
verkehrsschilder und poller.
von james turell stammt die beobachtung, daß durch das helle licht
unserer städte der raum der plätze sehr stark nach oben begrenzt
wird. um den hauptplatz in seiner vertikalen dimension zu erweitern, schlagen
wir vor, objekte zu schaffen, die indirektes licht auf die platzoberfläche
werfen und so einen abrupten übergang zwischen hell und dunkel
vermeiden. diese objekte sind zugleich sitzgelegenheit, strukturelement
für unterschiedliche nutzungszonen, abstellfläche und grünraumbegrenzung.
neue infrastrukturzeilen in leichtbauweise sorgen für den notwendigen
urbanen komfort, indem sie die bisher über den platz verstreuten einrichtungen
wie telefon, bus- haltestellen, marktwaage, rohstoffsammelbehälter,
schließfächer, räumlich zusammenfassen. farbiges glas als
vertikale begrenzung dieser leichträume könnte durch den
schwingungswechsel der farblichen wahrnehmung den platz auch bei tag in
neuem licht erscheinen lassen. nachts sind diese glasbegrenzten räume
lichtquelle und informationsdisplay.
die sensibilität der geomantischen überlegungen bei der stadtgründung
vor mehr als 800 jahren wird durch zwei elementare strukturen thematisiert:
als west-ost ausrichtung der streifenförmigen oberfläche, also
einer bewußten orientierung parallel zum äquator und die markierung
jenes energieknotens am hauptplatz, von welchem aus die vermessung und
konzeption der stadtgründung erfolgt ist: denn "tradition ist die
weitergabe des feuers, nicht die anbetung der asche"
top
sidewalk
home
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